R. Bodenmann u.a. (Hrsg.): Heinrich Bullingers Briefwechsel

Cover
Titel
Heinrich Bullinger, Briefe von Januar bis Mai 1546.


Herausgeber
Bodenmann, Reihnhard; Alexandra, Kess; Judith, Steiniger
Reihe
Heinrich Bullinger Werke 16
Erschienen
Zürich 2014: Theologischer Verlag Zürich
Anzahl Seiten
443 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Jan-Andrea Bernhard

Seit dem Jahr 1973 erscheinen die Bände der Heinrich Bullinger-Briefwechseledition, die eine der bedeutendsten und vielfältigsten Quellensammlungen für die Geistes-, Sozial-, Kultur und Mentalitätsgeschichte des 16. Jahrhunderts darstellt. Ziel ist es, den gesamten noch erhaltenen Briefwechsel Bullingers, also rund 12’000 Briefe, der Forschung zugänglich zu machen, sei es durch eine historischkritische Edition der bislang nicht edierten Briefe oder durch die Wiedergabe von ausführlichen Zusammenfassungen von bereits in befriedigender Weise veröffentlichten Briefen. Mit Band 16 von Bullingers Briefwechsel werden die Briefe Nr. 2318 bis 2451 publiziert. Das monumentale Editionsprojekt wird vom Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte an der Universität Zürich verantwortet und vom Schweizerischen Nationalfonds sowie von der Zürcher Landeskirche Der Rezensent muss eingestehen, dass die Rezension von Band 16 zu spät erfolgt, dies aber seine Gründe hat: Während bereits Band 15 (Briefe des Jahres 1545) um ein Vielfaches umfangreicher als die vorangehenden Bände ist, nämlich 259 Briefe beinhaltet, umfasst die Korrespondenz Bullingers aus dem Jahr 1546 deren 420. Ursprünglich war vorgesehen, die Briefe des ganzen Jahres 1546 in einer Rezension zu würdigen, doch hätte sich dann die Vorstellung des ersten Bandes zu diesem Jahr zu sehr verzögert. Unterdessen ist Band 17, der die Briefe von Juni bis September 1546 umfasst, erschienen, und Band 18 (Oktober bis Dezember 1546) befindet sich kurz vor der Publikation. Dies zeigt freilich auf, mit welcher grossen Zielstrebigkeit, Konsequenz und Nachhaltigkeit die Bearbeiter die Edition besorgen.

Im vorliegenden Band 16 werden von den 420 Briefen deren 134 ediert beziehungsweise mit ausführlichen Zusammenfassungen (22 Briefe) gedruckt. Verdankenswerterweise werden gelegentlich auch Briefe ediert, die zwar bereits einmal veröffentlicht wurden, heute jedoch nur sehr schwer zugänglich sind, oder deren Bedeutung aufgrund der behandelten Thematik einzigartig ist, so zum Beispiel ein Brief des der Heterodoxie verdächtigten Basler Professors Martin Borrhaus, der zuletzt vor 272 Jahren veröffentlicht wurde (Nr. 2329). Dieser Brief ist darum bemerkenswert, weil er Hinweise über Borrhaus’ «Haltung» zu Schwenkfeld gibt. Darin ermutigte nämlich Borrhaus Bullinger, die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, «dass Schwenkfeld vielleicht genauso wie Bullinger ein von Gott begabter Mensch sei» (S. 37).

Konzeptionell folgt Band 16 dem bewährten Muster der Edition: In der ausführlichen Einleitung führt Bodenmann in die Themenfelder und Hintergründe ein und beleuchtet zudem die wichtigsten Korrespondenten und Personen in ihren Kommunikationsbeziehungen. Die Einleitung wäre eigentlich in einer gesonderten Rezension zu würdigen, denn die Fülle an Informationen ist beeindruckend und lässt den geneigten Leser an der historischen Hintergrundarbeit der Bearbeiter teilhaben (S. 11–46). Darauf folgt das nützliche Abkürzungsverzeichnis (S. 47– 58). Den Hauptteil bildet die Edition mit dem Anmerkungsapparat, der sich an den bisherigen Gepflogenheiten orientiert (S. 59–418). Was die Zusammenfassungen der Briefe betrifft, ist festzuhalten, dass deren Stellenwert von Jahr zu Jahr steigt, da die Anzahl der Forscher, die heute noch die Möglichkeit haben, lateinische oder frühneuhochdeutsche Quellen zu lesen, stetig abnimmt. Welche immense Arbeit dahinter steht, illustrieren die Zusammenfassungen, die mehrere (!) Seiten umfassen (z.B. Nr. 2336, 2342, 2401 etc.). Das viele Feinheiten der Edition erschliessende Register (S. 419–443) ist sehr ausführlich gehalten, so können auch Druckschriften oder mehrfach behandelte Themen (z.B. Buchmesse in Frankfurt a.M.) gefunden werden.

Von den 134 Briefen waren deren 82 bislang ungedruckt, sind also der Forschung erstmals in einer Edition zugänglich. Darunter befinden sich nicht nur bislang unbekannte Briefe (z.B. mit Joachim Vadian, Nr. 2400, 2411, 2425), sondern auch solche, die unser Wissen über das Korrespondentennetz Bullingers vertiefen, weil deren Verfasser als Korrespondenten Bullingers bislang kaum bekannt waren. Die Vorstellung dieser neuen Korrespondenten bestätigt zudem unser bisheriges Wissen über Bullingers «Kirchenpolitik», in der Buchgeschenke ein nicht zu vernachlässigender Faktor waren. So sandte Bullinger beispielsweise dem in Rottweil neu ernannten Pfarrer Johann Werner Wiga seinen Markuskommentar (1545) zu (vgl. Nr. 2334). finanziert.

In den ersten Monaten des Jahres 1546 ist der geographische Kreis von Bullingers Korrespondenzen vorübergehend weniger gross als in den vorangehenden Jahren – so finden sich beispielsweise keine Briefe aus Ungarn, Mähren, Holland oder Italien. Von den 134 Briefen wurden deren 66 zwischen Zürich und dem Gebiet des heutigen Deutschlands (vor allem Oberdeutschland) ausgetauscht sowie deren 14 zwischen Zürich und dem Gebiet des heutigen Frankreichs. Die restlichen 54 Briefe sind im Rahmen von Kontakten innerhalb der Eidgenossenschaft inklusive der zugewandten Orte (St. Gallen, Graubünden, Untertanengebiete im Aargau) entstanden. Dabei sind die Kontakte mit Basel, der damaligen Schaltstelle für den Wissenstransfer, gefestigt worden, ja die Quantität des Briefaustauschs mit Basel hat im Vergleich mit 1545 zugenommen.

Von den 134 Briefen stammen deren 28 aus der Feder Bullingers. Teilweise handelt es sich um Kopien von Briefen, die Bullinger aufgrund ihrer Wichtigkeit anfertigen liess, darunter auch der wichtige, nach Luthers Tod verfasste Brief an Philipp Melanchthon (Nr. 2404). Die Briefe Bullingers lassen zudem seine Person differenzierter beurteilen. Daraus geht unter anderem klar hervor, dass Bullinger weder, wie etwa Bucer, als «Apostel der Einheit» (S. 20) noch – und darin ist Büsser zu korrigieren – als «ökumenischer Patriarch» beurteilt werden darf. Wir dürfen darum darauf gespannt sein, ob in den nachfolgenden Bänden des Bullinger- Briefwechsels weiteres Material zu dieser Frage ans Licht kommt.

Naturgemäss enthalten Briefe wichtige bio-bibliographische Informationen. Freilich können im Rahmen einer Rezension diese vielen wertvollen Hinweise nicht angemessen gewürdigt werden. Einige Beispiele seien immerhin erwähnt: So erfahren wir, dass Konrad Gessner aus Augsburg griechische Handschriften borgen konnte (Nr. 2403), in einem Brief der Churer Schulaufseher werden wertvolle Details zu den Studien von Paulus Blasius, Sohn des Churer Reformators Johannes Blasius, erwähnt (Nr. 2430), oder der Hofrat der siebenbürgischen Königin Isabella, Antun Vrančić, ist in Zürich auf der Durchreise bezeugt (Nr. 2431).

Die exemplarischen Rosinen aus dem Briefwechsel von Januar bis Mai 1546 sollen nicht nur jeden Historiker, der sich mit dem 16. Jahrhundert beschäftigt, dazu ermutigen, den Schatz des Bullinger-Briefwechsels zu entdecken, sondern auch untrüglicher Beleg der Qualität des vorliegenden Bandes sein.

Zitierweise:
Jan-Andrea Bernhard: Rezension zu Reinhard Bodenmann, Alexandra Kess, Judith Steiniger (Hg.), Heinrich Bullinger. Briefe von Januar bis Mai 1546, Zürich: TVZ-Verlag, 2014. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 67 Nr. 1, 2017, S. 106-108.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 67 Nr. 1, 2017, S. 106-108.

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